Raman scattering
Raman effect, Smekal-Raman effect, Raman process, Raman instability
Die Raman-Streuung ist eine Form der unelastischen Streuung von Licht oder einer anderen elektromagnetischen Strahlung an Elektronen, Atomen oder Molekülen. Raman-Streuung kann beim Eintritt von Licht sowohl in Gase, Plasmen als auch in kristallinen Festkörpern (Phonon-Raman-Streuung) auftreten, und ist auf die Wechselwirkung von Photonen mit den betreffenden Teilchen des beteiligten Mediums zurückzuführen. Solche Wechselwirkungen betreffen z.B. die Rotations- und Vibrationsenergie bei Molekülen oder Energiequanten der Gitterschwingung (optische bzw. akustische) Phononen, in Festkörpern. In Molekülen oder Kristallen kann es zu einer Energieübertragung zwischen dem anregenden Photon und der angeregten Materie kommen, sodass sich die Rotations- und Schwingungsenergie des beteiligten Moleküls bzw. die Schwingungsenergie im Kristallgitter ändert - es kommt also zu einem Übergang des Moleküls von einem Energieniveau zu einem anderen.
Der Begriff „unelastisch“ beschreibt dabei den Fakt, dass diese Art der Streuung die kinetische Energie von zufälligen Partikeln verändert. Es findet also eine Energieübertragung zwischen der Strahlungsenergie und dem streuenden Medium statt, bei der das gestreute Licht eine höhere oder niedrigere Frequenz als der einfallende Lichtstrahl besitzt. Die jeweilige Frequenz ist dabei für das streuende Atom bzw. Molekül spezifisch. Ist die Frequenz des anregenden Photons mit einem elektronischen Übergang im Molekül bzw. Kristall resonant, so ist dabei die Streueffizienz um zwei bis drei Größenordnungen erhöht (Resonanz-Raman-Effekt). Die Energiebilanz bewirkt im Falle einer solchen unelastischen Streuung eine Frequenzverschiebung des gestreuten Lichts. Dabei sind beide Richtungen der Energieübertragung möglich.
Die Raman-Streuung von Molekülen zeichnet sich durch einen sehr kleinen Streuquerschnitt aus. Folglich wird eine recht hohe Konzentration an Molekülen benötigt, um detektierbare Signale zu erhalten. Daher sind Raman-Spektren für einzelne Moleküle nicht möglich. Befindet sich das Molekül allerdings nahe einer metallischen Oberfläche (z.B. aus Silber, Kupfer oder Gold), so kann dadurch das Raman-Signal extrem verstärkt werden. Diese sogenannte oberflächenverstärkte Raman-Streuung (surface enhanced raman scattering, SERS) macht man sich z.B. in der oberflächenverstärkten Raman-Spektroskopie (engl.: Surface Enhanced Raman Spectroscopy) und in der oberflächenverstärkten Resonanz-Raman-Spektroskopie (engl.: Surface Enhanced Resonance Raman Spectroscopy, SERRS) zu Nutze.
Im quantenmechanischen Modell kann der Raman-Effekt als Zwei-Photonen-Übergang zwischen quantisierten Energieniveaus beschrieben werden. Die Raman-Steuung tritt also auf, wenn Photonen mit einem Molekül interagieren und das Molekül in einen virtuellen Zustand mit höherer Energie versetzt wird. Dieser Zustand mit höherer Energie kann einige unterschiedliche Ergebnisse zur Folge haben, z.B. dass das Molekül auf eine neue Schwingungsenergieebene relaxiert. Es entsteht also ein Photon mit einer anderen Energie. Dabei wird die Differenz zwischen der Energie des einfallenden Photons und der Energie des gestreuten Photons als Raman-Verschiebung bezeichnet. Führt die Wechselwirkung des Moleküls mit Licht zu einer Verschiebung der Elektronenwolke des Moleküls, so ändert sich damit auch seine Polarisierbarkeit.
In der Plasmaphysik beschreibt der Raman-Effekt die Streuung an Plasmawellen, bei der das Licht die Plasmawelle während des Streuprozesses verstärkt und das Plasma aufheizt (Raman-Instabilität).
In der Festkörperphysik spielen spontane Raman-Prozesse für die Bestimmung von Schwingungsspektren eine wichtige Rolle.
Im Gegensatz zur Fluoreszenz ist die Raman-Streuung kein Resonanzphänomen, sondern die Streuung erfolgt hier (wie bei der Rayleigh-Streuung) über virtuelle Niveaus. Raman-Streuung tritt folglich auch für Photonen-Energieniveaus außerhalb von der Resonanz zu einem atomaren oder molekularen elektronischen Übergang auf.
Hinweis: Der wichtigste Unterschied zwischen Rayleigh und Raman Streuung ist, die Elastizität der Rayleigh-Streuung - wohingegen es sich bei der Raman-Streuung um eine unelastische Streuung handelt. Bei der (elastischen) Raleigh-Streuung bleibt die kinetische Energie der zufälligen Teilchen des Systems, in dem die Streuung stattfindet, gleich. Folglich stimmt die Frequenz des einfallenden Lichts mit der des gestreuten Lichts überein. Beim Auftreten der (unelastischen) Raman-Streuung hingegen, verändert sich die kinetische Energie der zufälligen Teilchen. Folglich hat das einfallende Licht eine andere Frequenz als das durch Raman-Streuung gestreute Licht.
Anwendung:
- Bei der Raman-Spektroskopie werden Materialeigenschaften wie Kristallinität, Kristallorientierung, Zusammensetzung, Verspannung, Temperatur, Dotierung usw. gemessen. Dabei wird die zu untersuchende Materie mit (Laser-) Licht aus monochromatischen Anregungsquellen mit längerer Wellenlänge bestrahlt. Im Spektrum des an der Probe gestreuten Lichts werden neben der einstrahlten Frequenz (Rayleigh-Streuung) noch weitere Frequenzen beobachtet, die Rückschlüsse auf die Änderungen der Polarisierbarkeit der molekularen Bindungen der Probe zulassen. Mit Hilfe der der Raman-Spektroskopie kann die Schwingungssignatur eines Moleküls bis in den im Bereich von Nanogramm erfasst werden, um zu verstehen, wie das Molekül zusammengesetzt ist und wie es mit anderen Molekülen in seiner Umgebung interagiert.
- Die Messung der Raman-Streuung hilft bei der Beobachtung von Kristallisationsprozessen, Polymerisationsreaktionen, Hydrierungsreaktionen, Synthesereaktionen, der chemischen Synthese, der Biokatalyse und der enzymatische Katalyse. Zudem dient sie der Identifizierung polymorpher Formen und kommt in der Strömungschemie und der Bioprozessüberwachung zur Anwendung.
- Bei der ortsaufgelösten faseroptischen Temperaturmessung (engl. distributed temperature sensing, DTS) wird die Raman-Streuung und ihre Temperaturabhängigkeit in Glasfasern genutzt um Glasfasern als lineare Sensoren einzusetzen.